7 Gründe, warum dich das 21. Jahrhundert unglücklich macht 🇩🇪

By | 22 Feb 2009

1. Nicht genug nervige Unbekannte im Leben

Gegen Belästigung kann man sich eine Toleranz angewöhnen, wie auch gegen Alkohol oder schlechte Gerüche. Aber heutzutage zu Zeiten des WWW umschifft man diese Belästigungen größtenteils: Man kauft online ein, um das Gedränge in den Läden zu umgehen oder keinen Einkaufswagen in die Hacken gefahren zu bekommen, im Wartezimmer beim Doc stöpselt man sich lieber an den iPod statt mit irgendwem ein Gespräch anzufangen – und so filtert man sich die Belästigungen aus dem Leben. Und wenn man sich denen dann mal stellen muss, ist sehr schnell die Schmerzgrenze erreicht.

2. Auch nicht genug nervige Freunde

In der Schule wird man noch mit völlig zufälligen Leuten zusammengewürfelt und muss sich daraus Freunde suchen – mit mehr oder weniger Erfolg. Heute findet man dank des Internet sehr schnell Menschen, die genauso denken wie man selbst. Man muss nicht mehr mit komplett verschiedenen Leuten irgendwie auskommen. Vor 50 Jahren noch MUSSTE man mit vielen verschiedenen Menschen in einem Raum sitzen, um TV zu gucken. Entweder das, oder man verpasste den Film. Hatte man ein neues Auto, kamen alle Nachbarn aus der Gegend, standen im Vorgarten und bewunderten das Auto – und einige waren sicherlich auch richtige Vollidioten. Aber trotzdem waren die Menschen damals fröhlicher bei der Arbeit und allgemein zufriedener mit ihrem Leben als heute. Und noch was: Sie hatten mehr Freunde. Damals konnte man mangels Alternativen seinen Freundeskreis so gut wie gar nicht filtern. Oft war man einfach mit dem Nachbarn befreundet, weil er der Nachbar war. Trotzdem hatte man damals mehr enge Freunde als heutzutage. Menschen sind eben Sozialtiere.

Die Fähigkeit, Dummköpfe zu ertragen, Nervensägen zu tolerieren … das ist das, was uns zu Menschen macht, was uns erlaubt, in einer Welt zu funktionieren, die von anderen Menschen bevölkert ist, die nicht wie wir sind.

3. Text = Schlechte Kommunikation

(Die kurze Story am Anfang des Kapitels dort muss man selbst lesen. Die zeigt sehr schön, was hier gemeint ist!, Anm. d. Red.)

Laut einer Studie wird mehr als 40% des Inhalts von eMails falsch verstanden. Daraus entsteht die Frage, wie einen die Onlinefreunde kennen: Wenn 40% der Persönlichkeit durch Textverkehr verloren geht, kennen diese dann einen selbst, oder das Text-Alter-Ego, welches 40% anders ist, als das echte? Die Menschen, die einen in Chats, Foren oder so nicht leiden können – sind diese wirklich so verschieden oder haben sie nur diese 40% falsch verstanden? Und die Menschen, die einen via Text mögen … ?

4. Text = Weniger Kommunikation

Der Vorteil von eMails ist, dass man den Text nochmal durchgehen und korrigieren kann, bevor man ihn absendet. Aber was man durch Textkommunikation an Inhalt verliert überwiegt bei weitem diesen Vorteil! Laut Studien sind 93% der Kommunikation non-verbal. Die häufigste Form von Humor ist Sarkasmus – und Sarkasmus ist die Wiedergabe von Worten in einem falschen Ton. Der Witz liegt im Non-verbalen. Und man erwartet doch auch nicht nur von einer Frau, dass sie einem wörtlich “Ich mag Dich” sagt? Es ist das Funkeln in ihren Augen, ihre Pose … Körpersprache halt. Und was auch fehlt, ist ein Indikator für die Stimmung des Gegenüber. Durch die fehlende Stimmung des anderen, wird jede Zeile, die wir lesen, durch unsere eigene Stimmung gefiltert. Ist man schlecht drauf, nimmt man viele Äußerungen persönlich, die wahrscheinlich gar nicht so gemeint waren.

5. Wir werden zuwenig kritisiert

Durch den Mangel an wahren Freunden werden wir auch zu selten kritisiert. (Hier auch wieder das Beispiel im Originaltext lesen! Anm. d. Red.)

Das meiste, was wir über uns selbst wissen, wissen wir von anderen. Man weiß, dass man zu dick ist, weil man sieht, wie dünn andere sind. Man weiß, dass man mit einem Glücksschrei wie “Ka-tsching!” andere Leute irritiert, weil man ihre verstörten Blicke sieht. Und die wirklich fatalen Fehler im Leben vermeidet man meist, weil ein Freund einen beiseite nimmt und Tacheles redet.

Heutzutage gibt es leider viele Menschen, die nie solche ernsten Gespräche haben. eMail und texten sind ein prima Weg, solche Gespräche zu vermeiden. Bei Text kann man antworten, wenn man möchte. Man kann sich die Fragen aussuchen, die man beantworten möchte. Die Person am anderen Ende sieht das Gesicht nicht, sieht nicht, wenn man nervös wird, kann nicht erkennen, ob man lügt. Man hat fast die totale Kontrolle und daher kann die andere Person niemals durch das persönliche Schutzschild sehen. Erlebt einen nie bei schlechter Laune, kennt nicht diese kleinen peinlichen Sachen über einen selbst. Die verschwiegenen aber geteilten Marotten, Demütigungen und Schwachstellen, auf denen wahre Freundschaften basieren.

6. Die Gewaltmaschinerie

Viele Menschen, die diesen Text lesen, sagen: “Natürlich bin ich deprimiert! Leute hungern, Amerika ist zu einem Nazi-Deutschland verkommen (Das steht da wirklich so! Anm. d. Red.), meine Eltern schauen idiotische Fernsehshows und unterhalten sich hinterher stundenlang darüber! Leute sterben in sinnlosen Kriegen auf der ganzen Welt!” Aber warum haben wir eine so negativere Sicht der Welt als noch unsere Eltern? Unsere Großeltern?

Früher lebten Menschen nicht so lange, Babies starben viel häufiger, es gab viel mehr Krankheiten. Wenn ein Freund weg zog, war der einzige Weg der Kommunikation mit einem Stift, Papier und einer Briefmarke. Wir haben Irak, unsere Eltern hatten Vietnam (wo 50x mehr Menschen umgekommen sind) und ihre Eltern hatten den Zweiten Weltkrieg (wo 1000x soviel Menschen umgekommen sind). Einige unserer Großeltern wuchsen in einer Zeit auf, wo noch niemand Klimaanlagen hatte. Also warum haben wir heute so eine schlechte Einstellung?

Darum: Wenn ich heute einen Artikel veröffentliche mit dem Titel “Fall Out Boy is eine gute Band” und gleichzeitig einen mit dem Titel “Fall Out Boy ist laut Experten die schlechteste Band der letzten 100 Jahre” – welcher wird wohl mehr Besucher haben? Laut Erfahrung ist es der zweite mit 10 Mal mehr Besuchern als bei dem ersten. Empörung erzeugt Mundpropaganda. Die Nachrichten-Blogs, die man liest, wissen das auch. Also werden sie sich die reißerischsten Stories heraussuchen. (Erinnert das noch jemanden an die BILD-Zeitung? Anm. d. Red.)

Früher gab es solche Probleme nicht. Da gab es nur 3 TV-Sender und jeder sendete Nachrichten aus der gleichen Sichtweise. Auch wenn diese nicht immer korrekt waren, sah jeder Zuschauer das gleiche. Das ist vorbei. Es gibt keine Massenmedien mehr. Wo wir früher gestritten haben, weil wir die Nachricht anders interpretiert haben, so streiten wir heute, weil wir völlig verschiedene Nachrichten gesehen haben. Dies stichelt uns gegenseitig an.

7. Wir fühlen uns wertlos, weil wir wirklich wertlos sind

Es gibt einen Vorteil wenn man überwiegend Onlinefreunde hat, und dies ist einer, über den niemand spricht: Sie erwarten weniger von einem. Sicher, man unterstützt sie emotional, muntert sie nach einer Trennung wieder auf, vielleicht redet man ihnen sogar Selbstmord aus. Aber Freunde in der Fleischwelt zu kennen, fügt da noch eine lange Liste an nervigen Anforderungen hinzu. Einen ganzen Nachmittag zu opfern, um ihren Computer wieder hinzubiegen. Mit ihnen auf Beerdigungen zu gehen. Sie jeden Tag mit dem Auto durch die Gegend zu fahren, weil ihres von der Bank kassiert wurde. Von einem gemütlichen Abend vor dem TV abgehalten zu werden, weil sie unerwartet auftauchen und davon erzählen, wie hungrig sie doch sind, bis man ihnen schließlich die Hälfte seines Sandwiches gegeben hat. Man hat so viel mehr Kontrolle im AIM, im Chat oder in World-of-Warcraft. Aber hier kommt der Punkt: Man ist von der Evolution vorprogrammiert, Dinge für andere zu tun.

Jeder in den vergangenen 5000 Jahren hatte dies anscheinend begriffen, aber dann haben wir das plötzlich in den letzten Dekaden vergessen. Jugendliche werden suizidgefährdet und man versucht ihnen Selbstliebe beizubringen. Dummerweise kommt Zufriedenheit und Selbstliebe erst nachdem man etwas getan hat, was einen liebenswert macht. Es kommt nicht darauf an, was man sich für Sprüche sagt, wie besonders man doch ist. Man denkt über sich als etwas besonderes, wenn man etwas besonderes tut. Denkt man vorher so über sich, ist man ein Narzist und fern von der Realität.

Du willst aus diesem schwarzen Loch voll Selbsthass ausbrechen? Kämm Dir das schwarze Haar aus dem Gesicht, geh weg vom Computer und kaufe ein nettes Geschenk für jemanden, den Du magst. Sende eine Karte an Deinen schlimmsten Feind. Mach das Abendessen für Deine Eltern. Oder tu etwas einfaches mit einem greifbaren Ergebnis: Entferne die Blätter aus dem Gulli und hör Dir beim nächsten Regen das frei fließende Wasser an. Das ist keine Atomwissenschaft; wir sind Sozialtiere und wir werden geboren mit kleinen Glückshormonen, die in unsere Blutbahnen gelassen werden, wenn wir sehen, wie jemand von unseren Taten profitiert. Selbst der Lieblingsdrink, das Lieblingsspiel, der Lieblingsfilm und der beste Sex hintereinander geben einem nicht DIE Art von anhaltendem Glücksgefühl, als wenn man der alten gebrechlichen Dame die Straße runter hilft, ihren Abfall zu entsorgen.

Daher machen Bürojobs auch soviel Menschen unglücklich: man sieht die Früchte seiner Arbeit nicht. Aber Bauarbeiter, die in sengender Hitze für zwei Monate schwerst arbeiten, können den Rest ihres Lebens an einem bestimmten Gebäude vorbei fahren und sagen: “DAS hab ICH gebaut!”.

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